auszug aus der kurzgeschichte: verloren



"it´s only when I lose myself in someone else
that I find myself -
I find myself." - depeche mode -



verloren

carrer d`agapit llobet

Al Puerto? der Taxifahrer sieht in den Rückspiegel und ich nicke mit meinem schweren Kopf und er soll einfach fahren, mit seinen braunen Augen, soll er irgendwo anders hinsehen, weil es hier nichts zu sehen gibt, weil hier nichts ist und ich sowieso nicht. Und Du? Ich kann dich nicht mehr spüren, nicht meine Nägel im Handrücken und rote Spuren in sandiger Haut. Bin ich schon tot? Wieder keinen Schlaf gefunden, die ganze Woche, habe ich stattdessen nach Dir gesucht.

In diesem kleinen Zimmer konnte man aber auch keinen Schlaf finden, so stickig, so klein, kein Platz für meinen Schlaf, in diesem noblen Schuppen, dieser schäbigen Niemandskammer, schäbig und teuer, aus der Not eine Tugend, aus meiner Not etwas Geld geschlagen, der Rezeptionist, hat mein Geld schön in die eigene Tasche gesteckt. Gab ja kein anderes Zimmer, auf der ganzen Insel, gab es kein einziges Zimmer und wie er da stand, der Rezeptionist, hinter seinem Tresen und die Haare gelegt, sträubten sich, als ich auf ihn zuging, in meinen kurzen unerwünschten Hosen, mit dem falschen Gepäckstück auf dem Rücken, ignorierte er mich bis zum letzten Moment. Vielleicht würde ich ihn nicht ansprechen, vielleicht wieder aus der Vorhalle schleichen, aber den Gefallen konnte ich ihm nicht tun, auf diesem fremden Stückchen Land und dazu ganz allein. Und wo warst Du in diesem Moment? Auf diesem fremden Stückchen Land und dazu ganz allein?

Busco una habitación, fein säuberlich von mir aufgesagt und er drehte den Kopf, weil er ihn drehen musste, weil er der Mann hinter dem Tresen war und ich eine Person davor und er schüttelte ihn sofort, seinen Kopf und mehr konnte er wirklich nicht für mich tun. Aber ich ging nicht weg, stand da einfach weiter herum, wohin sollte ich auch gehen, mitten in der Nacht, stand ich da sicherlich nicht zum Spaß, wollte auch weg, nach Hause, auf das Schiff und nach Hause, zurück und wird das mit Dir sein?

Als die Tränen kamen, gab er endlich nach, weinende Frauen, Dios, aber schnell erkannte er seine Chance, wo ich schon einmal da war und er doch so nett und das hatte er sich wirklich verdient.

Ein kleines Fenster und dahinter das Bett und die Tür zum Bad, für mehr war kein Platz, auch nicht für mich. Ob das Bett frisch bezogen war? und im Bad keine neue erstblattgefaltete Klopapierrolle, vertrocknete Spinnen in allen Ecken des Zimmers, das letzte Zimmer, nach dem letzten Treppenaufstieg links, das hinterletzte Zimmer, auf dieser hinterletzten Insel, das man längst vergessen hatte und mich darin, hast mich, habe mich auch vergessen und durch das geöffnete Fenster die Silhouette der Berge in Augenhöhe mit meiner Verzweiflung, schwarz, wie die Kuppen, nur dahinter die Sonne, die mich zu trösten versuchte, mit ihrem Untergang, die immer mehr Farben für mich in den Himmel kippte und ich nahm meine Kamera und fotografierte ihre Veranstaltung. Für Dich. Für all die Untergänge, die wir verpasst haben. Und verpassen werden. Früher oder später. Klick. Jede Bewegung der Sonne eingeklickt und irgendwann sah ich mein fremdes Spiegelbild im Fensterglas und das letzte Bild gehörte diesem Gesicht.

Ein Gesicht, das dem Taxifahrer anscheinend zu schaffen macht, wieder seine Augen im Rückspiegel und der fährt wie ein Schwein, vielleicht kommt ja irgendwo eine Wand und wir auf sie drauf und weg, braucht sowieso keiner mehr und Fenster auf und der Wind ist auch unerträglich und meine Hand zwischen Fenster und Türrahmen und ich kurble und kann Dich nicht spüren und wohin nur mit uns?


festland und meer

Ich bin es, Selina. Ist er da?

Nein, er ist nicht da.

Ich versuche ihn schon seit Tagen zu erreichen, wo ist er?

(Räuspern) Selina, ich soll Dir ausrichten, wenn Du anrufst, soll ich Dir ausrichten, dass er nicht wie ein Idiot am Telefon sitzen wird, um darauf zu warten, dass Du endlich anrufst.

Wo ist er, Lorenz?

(Schweigen) Er ist mit den Jungs mitgefahren. Hat sich im letzten Moment dazu entschieden.

Er ist mitgefahren? Er hat mir nicht erzählt, dass er wegfahren wollte.

Hast Du ihm erzählt, dass Du wegfahren wolltest? Hast Du ihm denn irgendwas erklärt, bevor Du in den Zug gestiegen bist?

(Schweigen) Hast Du irgendeine Adresse?

Nein.

Sie hatte den Telefonhörer langsam zurück auf die Gabel gelegt, mit hängenden Armen in der Telefonzelle gestanden. Mit wildem Herzklopfen. Hatte sie den Hörer langsam wieder aufgenommen.

Jetzt wurde ihr Zigarettenrauch schnell von ihren Lippen über die Reling getragen. Etwas Mond über ihr, fiel ins Meer und zerbrach in den Wellen. Aus dem Bauch des Schiffes das Weinen eines Kindes. Dort wo all die anderen lagen. In kratzenden Decken, in Klimaanlagengebläse, im Brummen heller Neonröhren. In diesem Pferch von Leibern, diesem Touristenüberseetransport, diesem Massenfreizeit-erlebnis. Alle auf der Suche nach etwas und anderem, nach Leben wie es sein könnte, zwei Wochen Ausnahmezustand, zwei Wochen Gedankenauslagerungszustand und sie mitten drin, wollte gar nicht hier, aber wieder bei ihm sein. Nur hier draußen war die Bewegung des Schiffes erträglich. Und die ihrer Gedanken.


carrer de múrcia

Estás bien? wieder die Taxifahreraugen im Rückspiegel. Me pareces muy triste? also nennen wir es triste und wie traurig ich bin, kann ich noch nicht einmal in Worte fassen, geschweige denn in seine. Wie sagt man, dass Du verschwunden bist, auf dieser beschissenen Insel, dass Du einfach weggegangen bist, ohne ein Zeichen, dass Du mich verlassen hast und wie soll das gehen, ich ohne Dich?

Me llamo Pedro y tu?

Me llamo Selina, und hat der noch nie gehört, dass die Deutschen muy frio sind, muy cerrado, dass sie nicht reden wollen mit Fremden, vor allen Dingen nicht mit Taxifahrern, die sowieso nur Extrakurven drehen, die uns reinlegen wollen, die dummen Deutschen, die lauten, die überall deutsch sprechen, ist doch egal, versteht doch sowieso jeder hier.

A que hora sale tu barco? - Your ship, what time? und sein Finger tippt auf seine Uhr, sein Nagel auf das runde Glas, klack klack klack und seine Augen im Rückspiegel, mir wieder mitten ins Gesicht und ich schau auf die Uhr, jetzt ist es zwei, das Schiff geht erst am Abend.

A las siete de la noche.

Hago una pausa, ahora. Si quieres te muestra un pocito nuestra isla bonita? - I have break. I show you nice place here, no problem, you want?

(... bei anfrage mehr)
2007

gedicht: benjamin

Auf ner schönen grünen Wiese

Sitzt ein großer grauer Berg

Streckt die Beine in den Himmel

Neben ihm da sitzt ein Zwerg

Nein der Zwerg das bin ja Ich (oh)

Und der Berg mein Egomant

Der ist fleißig und kann sprechen

Und ist jedem wohl bekannt

Und stiehlt gerne meine Wonne

Um ihn rum da wehen Ichchen

Nein, das bin ja ich


(Ach fick Dich doch endlich selbst)


Ego Maniechen

2007

gedicht: friesenstraße 2007

komm!


alle ich

sind liebe

herz farben

werfe ich dir

mein zuckerkleid

über

2007

gedicht: worte

Ich weiß seh ich Dich an weiß ich dort Dein Mund still seh ich Dich an und weiß Du nicht das kann ich gut Wort für Wort für Dich von hier zum Mund auf meiner Zunge formen Wort für Wort bleibt dort im Mund zurück siehst Du wenn ich Dich anseh nicht und meine Lippen gehen sinnlos auf und zu irgendwann sag ich dann tschüss und nehme Satz für Satz mit mir in meinem Mund nach Haus

sommer 2006/2007

gedicht: gradwanderung


Baumkarawanen

Besteigen Gipfel

Grüner Berge


Und zwischen meinen Zehen

Ein Kleeblatt

Vierblättrig gedacht


Und der trockene Wind

Verwandelt Deine Spuren

Aus meinem Haus


Und Deine Lippen

Lehnen an mein Ohr

Ein Raunen


öffnet


Kleine Perlen

in die Muschel

Worte die nicht


gesagt werden müssen



august 07